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OLG Hamm zur Unwirksamkeit von Beschränkungen der Eigentumsrechte durch Software-Lizenzbedingungen beim Kauf von Standardsoftware

OLG Hamm, Urteil vom 28.11.2012 – 12 U 115/12 (rkr.)

Sachverhalt

Die Klägerin ist ein Leasingunternehmen. Die Beklagte vertreibt Software und ist autorisierte Vertragspartnerin für die Softwareprodukte der US-amerikanischen Fa. DS. Im Rahmen eines typischen Finanzierungsleasinggeschäfts war die Klägerin in einen Softwareüberlassungsvertrag zwischen der Fa. W (Leasingnehmerin) und der Beklagten eingetreten und hatte nach Auslieferung der Ware den Kaufpreis an die Beklagte bezahlt.

Nach der Insolvenz ihrer Leasingnehmerin mit der Einstellung der Zahlung der Leasingraten stritt die Klägerin mit der Beklagten über die Eigentumsrechte an der Standardsoftware. Ursache des Streits waren die Lizenzbedingungen der Firma DS, die Inhalt der Vertriebsvereinbarung mit der Beklagten geworden sind. Diese sahen zur Lizenzgewährung u.a. vor:

DS oder seine Lizenzgeber sind und bleiben Eigentümer aller Urheber-, Marken- und sonstigen Schutzrechte und Geschäftsgeheimnisse an der Software.

Soweit nachfolgend nicht ausdrücklich anders vereinbart, verbleiben sämtliche Nutzungsrechte an der überlassenen Software und der Dokumentation bei DS.

DS gewährt Ihnen gemäß den nachfolgenden Bedingungen nach Zahlung der vereinbarten Lizenzgebühren an ihren Reseller, bei dem Sie die Lizenz erworben haben, eine einfache, grundsätzlich dauerhafte und nicht übertragbare Lizenz für die Verwendung der Software … Sie dürfen Dritten keinen Zugang zur Software gewähren und dürfen somit die Software nicht verleasen, vermieten oder verleihen.

Das OLG Hamm hat die auf Rückzahlung des Nettokaufpreises abzüglich von der Firma W erhaltener Leasingzahlungen gerichtete Schadensersatzklage der Leasinggeberin rechtskräftig abgewiesen.

Die Klägerin sei Eigentümerin der Software geworden. Die Beklagte hat der Klägerin nach § 929 S. 1 BGB durch Übergabe der Kaufsache an die Firma W und konkludente Einigung mit der Klägerin das Eigentum an der Standardsoftware in Erfüllung des Kaufvertrags übertragen.

Bei kaufvertraglicher Überlassung von Computersoftware bestehe die Kardinalpflicht des Verkäufers gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB darin, dem Käufer neben dem Besitz auch das Eigentum zu verschaffen. Von dieser Pflicht könne sich die Beklagte nicht wirksam einseitig befreien, insbesondere nicht unter Heranziehung der Lizenzbedingungen der Firma DS.

Die in den Lizenzbedingungen der Herstellerin vorgesehenen Einschränkungen seien als überraschende Klauseln gemäß den §§ 305 Abs. 1, 306 Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden und wegen Abweichung vom urheberrechtlichen Leitbild der §§ 17 Abs. 2, 69c Nr. 3 UrhG und den wesentlichen Rechten und Pflichten eines kaufvertraglich ausgestalteten Softwareüberlassungsvertrages gemäß den §§ 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1, 306 Abs. 1 BGB unwirksam (vgl. dazu die Nachweise bei: H. Beckmann, Finanzierungsleasing, § 12 Rdnr. 156; ders. in: Martinek/Stoffels/Wimmer-Leonhardt, Handbuch des Leasingrechts, § 62 Rdnr. 39 ff.). Denn nach dem Erschöpfungsgrundsatz hänge der urheberrechtliche Verbrauch des Verbreitungsrechts an einem „Vervielfältigungsstück“ (Kopie) eines Programms allein davon ab, ob der Rechtsinhaber dem (ersten) Inverkehrbringen durch Veräußerung zugestimmt habe. Auf die Art und Weise der weiteren Nutzung brauche sich die Zustimmung nicht zu erstrecken. Denn bereits mit der (ersten) durch ihn oder mit seiner Zustimmung erfolgten Veräußerung gebe der Berechtigte die Herrschaft über das Werkexemplar auf; es werde damit für jede Weiterverbreitung frei. Diese Freigabe diene dem Interesse der Verwerter und der Allgemeinheit, die in Verkehr gebrachten Werkstücke verkehrsfähig zu halten. Könne der Rechtsinhaber, wenn er das Werkstück verkauft oder seine Zustimmung zur Veräußerung gegeben habe, noch in den weiteren Vertrieb des Werkstücks eingreifen, ihn untersagen oder von Bedingungen abhängig machen, so wäre dadurch der freie Warenverkehr in unerträglicher Weise behindert (vgl. grundlegend: EuGH NJW 2012, 2565 ff.; BGHZ 145, 7, juris Tz. 22, m.w.N.).

Ein zum Schadensersatz verpflichtender Rechtsmangel sei auch nicht darin zu sehen, dass der Beklagten eine Vermietung in Form des „Verleasens“ aufgrund eines fortbestehenden Urheberrechts der Herstellerin nicht gestattet sei.

Das Recht zur Weitervermietung eines durch Veräußerung in den Verkehr gebrachten Computerprogramms (Programmkopie) werde zwar gemäß § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG nicht ohne weiteres auf den Erwerber übertragen. Vielmehr bedürfef es grundsätzlich einer besonderen Gestattung durch den Urheber.

Beim Finanzierungsleasinggeschäft werde indes vom Lieferanten in der Regel auch das Vermietungsrecht auf den Leasinggeber übertragen. Das folge auch ohne ausdrückliche Vereinbarung zumindest stillschweigend gemäß § 31 Abs. 5 UrhG aus dem vom Lieferanten gebilligten Zweck eines Finanzierungsleasinggeschäfts, die Software „leasingfähig“ zu machen, also die Möglichkeit zur Vermietung an den Leasingnehmer zu eröffnen. Eine stillschweigende Einräumung des Vermietungsrechts könne beim Eintrittsmodell in der Übernahmevereinbarung zu sehen sein (vgl. H. Beckmann in: Martinek/Stoffels/Wimmer-Leonhardt, a.a.O., § 12 Rdnr. 18 f.).

Dem zwischen der Beklagten und der Firma W zustande gekommenen Liefergeschäft lag die beabsichtigte Finanzierung durch ein Leasinggeschäft zugrunde. Hierauf hat die Firma W schon bei der Bestellung hingewiesen. Die Beklagte hat dem Eintritt der Klägerin in den Liefervertrag und dem „Verleasen“ der Software an die Firma W spätestens durch Auslieferung der Leasingsache und Rechnungstellung an die Klägerin zugestimmt. Nach ihrem Vorbringen war sie dazu auch im Innenverhältnis zur Herstellerin berechtigt, weil die Firma DS als Softwareherstellerin mit der Weitergabe der Software im Rahmen von Finanzierungsleasinggeschäften einverstanden war, so dass ein Rechtsmangel insoweit nicht vorliegt. Auf die Regelung in den Lizenzbedingungen kommt es deshalb schon aus diesem Grund nicht an.