Wenn scheinbar einfachem Spielzeug Schutz nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zukommt – Schutz eines Sandmalkastens als Sachgesamtheit aufgrund wettbewerblicher Eigenart
BGH, Urteil vom 22.03.2012, Az. I ZR 21/11 – Sandmalkasten
In dem Verfahren „Sandmalkasten“ hat der BGH einem Sandmalkasten nebst Zubehör – und damit einer Sachgesamtheit – Schutz unter dem Gesichtspunkt wettbewerblicher Eigenart zugesprochen.
Die Parteien stritten um den Vertrieb eines Sandmalkastens für den Unterricht an Schulen und anderen Einrichtungen. Bei dem verfahrensgegenständlichen Sandmalkasten können Kinder Sand auf einem Glasboden mit einem Glätter planieren und anschließend mit den Fingern oder mit einem Rechen, der mit rechteckigen und dreieckigen Zacken ausgestattetet ist, Muster in den Sand malen. Ein für die Klägerin eingetragenes Gebrauchsmuster (kleines Patent) lief 2006 aus.
Unmittelbar nachdem die Schutzfrist abgelaufen war, bot die Beklagte einen nahezu identischen Sandmalkasten an, wie nachstehender Gegenüberstellung zu entnehmen ist:
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Original | Nachbau |
Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Instanzgerichte haben die Frage unterschiedlich beurteilt. Der BGH hat nunmehr zugunsten der Klägerin entschieden.
Zunächst kann festgehalten werden, dass alle Gerichte eine fast identische Leistungsübernahme angenommen haben. Der BGH hat jedoch der Ansicht des OLG Hamburg, wonach in dem Sandmalkasten keine wettbewerbliche Eigenart zu erkennen sei, eine Absage erteilt.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen.
So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen dergestalt, dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme, geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt.
Im Falle des Sandmalkastens kam der 1. Senat des BGH zu dem Schluss, dass dem Set aus hölzerner Wanne mit Glasboden, vier Holzfüßen, einem hölzernen Glätter, zwei Rechen, einer Packung feinem Sand und einem Wischer aus Kunststoff, wettbewerbliche Eigenart als Sachgesamtheit zukomme. Der BGH hat bereits in seiner Entscheidung „Puppenausstattungen“ (BGH, Urteil vom 28.10.2004, Az. I ZR 326/01) ausgeführt, dass eine Gesamtausstattung bestehend aus Puppen und – für eine bestimmte Spielsituation passendem – Zubehör wettbewerbsrechtlichen Schutz genießen kann. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die reine Idee, für eine bestimmte Spielsituation ein Produkt mit dem entsprechenden Zubehör herzustellen und zu vertreiben, im Interesse der Freiheit des Wettbewerbs grundsätzlich keinen Schutz genießen kann. Als herkunftshinweisend kann jedoch die besondere Gestaltung der Produkte oder eine besondere Kombination der Merkmale angesehen werden. Es reiche aus, dass der Verkehr einer Kombination aus funktional zusammengehörenden Gegenständen herkunftshinweisende Bedeutung beimisst.
Das sei bei den einzelnen Elementen des Sandmalkastens in der Gesamtschau der Fall. Die wettbewerbliche Eigenart entfalle im Falle des Sandmalkastens auch nicht deswegen, so der Senat, weil die konkrete Ausstattung der Sandwannensets technisch bedingt sei.
Fazit:
Mag die Schutzdauer eines Patents, Gebrauchs- oder Geschmacksmuster auch bereits abgelaufen sein, so bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass das Produkt ohne weiteres nachgeahmt werden darf. Zudem kann auch für einfache Sachgesamtheiten ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz bestehen. Hierbei gilt es zu beachten, dass auch ein zurückhaltendes, reduziertes Design geeignet sein kann, die Aufmerksamkeit des Verkehrs zu wecken und sich als Hinweis auf die betriebliche Herkunft des Produkts einzuprägen.